Ökonomische Bildung


Was sind die Kern-Skills von Morgen im Kontext von Wirtschaft, Sozialem und gesellschaftlicher Transformation?

Die Stiftungsratsmitglieder Anneka Lohn und Rembert Biemond im Gespräch.

Anneka Lohn: Wie kamst Du zur Wirtschaft?
Rembert Biemond: Ich war zehn Jahre im Obst- und Gemüsegeschäft tätig. Da lernt man, welch komplizierte Prozesse ablaufen, wenn wir Bananen essen wollen. Alles ist verzahnt. Doch etliche Faktoren, wie z.B. das Wetter, kann man nicht sechs Wochen vor Verkauf – dann werden die Bananen gepflückt – wissen.

Georg Hasler sagte in einem Beitrag auf unserem Workshop: ›Wenn man Dinge in Bewegung setzt, entsteht Wirtschaft‹.
Ja, so kann man das sagen. Es geht darum, das, was in Bewegung kommt zu organisieren, bestmöglich zu organisieren.

Wie übersetzen wir das für die Schulen?
Wirtschaften muss man tun. Erleben, nicht darüber reden, allenfalls reflektierend. Wie Meer, Sturm, Berg, Hitze, Kälte. Als Kind unter Anleitung, später auch selbständiger, und alles was man dann tun kann: Anbauen, Veredeln, Verkaufen, Konsumieren, Bauen, Putzen oder Administrieren.

Die Kernskills für die Wirtschaft bilden sich also in ganz elementaren Erfahrungsbereichen.
Das zeigt sich auch in einer der Thesen aus den Workshops: ›Selbstwirksamkeit erfahrbar machen und unsicheren Boden zulassen, stärken‹. Das erscheint selbstverständlich, ist es aber nicht. Offene Zielsetzung und Risikokompetenz sind zu erwerbende Fähigkeiten, die das programmierbare Lernen erweitern und eine Art ›Human Intelligence‹ erzeugen, die für ein gesundes Wirtschaften entscheidend ist. Also Unsicherheiten nutzen und mit dem reinen Menschenverstand angehen.

Auf dem letzten Experten-Treffen wurde eine weitere These formuliert: ›Originäre Erfahrungen mit der Natur sind Imperativ‹. Wie ist das in Deinen Augen zu verstehen?
Wirtschaften bedeutet, Kreisläufe anzuschieben und im Gleichgewicht zu halten. Ähnlich wie beim Menschen. Wenn ein Organ versagt oder der Blutdruck zu hoch ist, ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten. In der Wirtschaft sollte die Gesundheit für den Gesamtorganismus mehr berücksichtigt werden. Sonst wird alles teuer und kompliziert und es entstehen Verluste – menschliche, finanzielle oder gar für die Erde.

Nachhaltiges Wirtschaften erfordert neue Bilder von der Zukunft. – Erinnerst du dich an Deine ersten Bildungs- und Bilder-Momente bezüglich Geld und Wirtschaft?
Mit 18 habe ich mich entschlossen, in der Wirtschaft tätig zu werden, um an einer ›Neuen Ökonomie‹ zu arbeiten. An Alternativen zu dem, was damals oder auch heute Mainstream ist, mangelte es noch sehr. Ich wollte Wirtschaft als Wahlfach im Abitur. Meine Schule konnte das nicht anbieten, also nahm ich an einem Fernkurs teil. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie dort alles aus dem Mangel erklärt wurde. Homo Ökonomicus – der nach finanziellem Gewinn strebenden Mensch – stand im Mittelpunkt, alle anderen Faktoren ausblendend. Heute weiss ich, dass diese Parameter grundsätzlich falsch gedacht werden.

Damals fühlte ich es nur. Mit dem Bruttosozialprodukt als einzigem Parameter wird die Menschheit das Jahrhundert nicht überstehen. Es braucht andere Konzepte. Inspirierend finde ich ›Gross National Happiness‹, womit Bhutan anfing und Länder wie Neuseeland heute einen Weg eingeschlagen haben.

Im meiner Schulzeit waren Wirtschaftsthemen weit vom realen Leben entfernt.
Interessant ist, dasS wir auf der Suche nach Gesichtspunkten, wie Wirtschaft unterrichtet werden kann, bei grundsätzlichen Fragen zur Schule und zum Hineinwachsen in die Welt gelandet sind. Es geht nicht um ein begrenztes Fach, in dem es um Angebot und Nachfrage und noch ein par Begriffe geht. Das Thema benötigt einen anderen Ansatz. Es kommt eine Qualität ins Spiel mit der Du viel zu tun hast: die Kunst bzw. die Musik.

Ja ich bin Musikerin und liebe es im Klang einer Symphonie Leben und Veränderung zu spüren!

Als Lehrerin merke ich, dass bei den Schüler*innen ein grundsätzlicher Wille zur Verbesserung der Welt existiert. Das möchte ich unterstützen. In der Wirtschaft liegt das Potenzial, Leben zu verstehen und Gesellschaft zu transformieren. Wirtschaft muss nicht nur in die Schule eingeführt werden, sie kann die Schule verändern.

Gerald Hüther definiert in seinem neuen Buch ›Education for Future‹ ein gelingendes Leben durch folgende Werte: Tätigkeit, die Freude macht, verlässliche Freunde, Geborgenheit, Vertrauen, Zuversicht und Fantasie.

Wir müssen noch viel verändern damit junge Menschen in der Schule tatsächlich auf solch ein sinnerfülltes und glückliches Leben vorbereitet werden. Der Fokus auf die Aneignung kognitiver Kompetenzen reicht da nicht aus.

Wie möchtest Du diesen Impuls mit der Stiftung Evidenz weiter verfolgen?

Umfassende Menschenbildung war für die Stiftung von Beginn an ein zentrales Thema. Ebenfalls die Mit-Verantwortung der Bildung für eine gesunde Wirtschaft. Für die Zukunft sind folgende Fragen zentral:

Wie können wir aus der gewohnten Matrix heraustreten und aus der Zukunft denken? Wie befähigen wir uns, auch als Lehrende, so, dass durch ›human intelligence‹ Persönlichkeitsbildung und Stabilisierung in Unsicherheit geschieht?

Was bedeutet das konkret?

Wir werden weiterhin eine Plattform bilden, ermöglichen, vernetzen und das Thema wach halten. Dazu werden wir in Filmen Leuchtturmprojekte aufzeigen, das Thema weiter kommunizieren, Workshops und Podiumsdiskussionen anbieten, die Thematik in der Lehrerbildung inaugurieren, …